16.12.2012
Mit der Kamera das Leben einfangen
Es ist ein beeindruckender Nachmittag im Frühsommer in Südafrika. Bei tiefstehender Sonne sitze ich mit Manelisi vor einem Shack im Area G von Walmer Township. Nachts ist die Gegend berüchtigt für Überfälle und Vergewaltigungen – Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut sind hier unübersehbar. Um uns herum spielen Kinder. In diesem Moment wirkt das Leben hier weitgehend friedlich. Wir sitzen schweigend nebeneinander, lassen die Situation und das Umfeld auf uns wirken. Gerade noch saßen wir im Wohnzimmer der 16-jährigen Sinesipho. Sie engagiert sich in der Gruppe „Teenagers Against Drug Abuse“, kurz TADA. Manelisi kennt sie aus der Schule, fand ihre Geschichte und ihren Einsatz für die Community spannend. Er möchte einen Dokumentarfilm über sie und TADA drehen.
Ohne sich zu mir umzudrehen und seinen Blick auf die spielenden Kinder gerichtet beginnt Manelisi über das kommende Jahr zu sprechen. Er erzählt von gewonnenem Selbstvertrauen, von neuem Mut und Stolz, vor allem aber von Vorfreude auf bevorstehende Aufgaben.
Manelisi selbst ist 17 Jahre alt. Das Leben ohne Strom und fließendes Wasser ist ihm selbst gut bekannt. Er wohnt in Airport Valley, einem der ärmsten Teile des Townships. Vor etwas mehr als einem Jahr war er einer der Gründungsmitglieder unserer Filmgruppe. In den vergangenen Monaten hat er gelernt, wie man recherchiert, wie man sich auf einem Dreh verhält, wie eine Video-Kamera funktioniert und wie man mit einem professionellen Schnittprogramm arbeitet. Für ihn und für die gesamte Gruppe wird die Messlatte im Jahr 2013 erheblich angehoben – eine neue Herausforderung steht bevor: Die Gruppe hat einen eigenen Sendeplatz bei dem nationalen Fernsehsender BayTV erhalten. Alle 14 Tage wird ab dem 15. Januar eine neue 15-minütige Dokumentation produziert und ausgestrahlt. Die Gruppe hat die Sendung „Izimvo Zethu“ (Xhosa für „Unsere Sichtweise“) getauft. Zur besten Sendezeit, Montags um 20.15 Uhr, bekommt die Masifunde Film Gruppe und das Walmer Township dann eine kraftvolle Stimme.
Wir sitzen noch eine Weile am Wegesrand und unterhalten uns über die Themen, die wir im nächsten Jahr behandeln könnten. Manelisi wünscht sich vor allem Filme von Jugendlichen für Jugendliche zu machen. Neben Themen für die schwarze Community in Walmer Township sei es aber auch wichtig die weiße Bevölkerung anzusprechen, die sich aus Angst vor Kriminalität nicht ins Township wagt und die nichts über das Leben der Menschen in ihrer direkten Nachbarschaft weiß.
Während die untergehende Sonne das Township langsam in einen orange-roten Farbton taucht läuft mir plötzlich ein Schauer den Rücken hinunter. Wieder einmal muss ich erkennen, dass hier ein Mensch neben mir sitzt, der sein Talent vielleicht nie in einem Beruf ausüben wird. „Izimvo Zethu“ wird ihn aus seiner Armut nicht unmittelbar befreien. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Fähigkeiten, die er bei dieser Arbeit erlangt, eines Tages Wertschätzung finden werden und er unabhängig von seiner Herkunft eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhält – vielleicht ja sogar tatsächlich als TV-Journalist. Denn Manelisi, der Junge aus einem der ärmsten Viertel der Stadt, ist schon jetzt zu einem verheißungsvollen Nachwuchs-Filmemacher gereift. (ein Beitrag von Sebastian Kuhn, Filmmacher und Leiter der Masifunde Filmgruppe)
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