16.04.2021

Die Welle der Arbeitslosigkeit trifft die Jugend

Über 60 Prozent aller jugendlichen Südafrikaner:innen sind ohne Arbeit. Neben den dramatischen Konsequenzen für die jungen Menschen und ihren Familien birgt dies auch viele Risiken für die gesamte Gesellschaft. Wir teilen die Geschichten zweier Betroffener und berichten über Masifundes Arbeit mit den Jugendlichen.

Zukile Hanana, 33, arbeitete fünf Jahre als Fahrer einer Event-Agentur. Als Südafrika in den nationalen Corona Shutdown ging, verlor er zunächst sein Einkommen: ”No work, no pay!” - er hoffte, nach 21 Tagen Lockdown wieder seiner Arbeit nachgehen zu dürfen. Aus 21 Tagen wurden mehrere Monate. Schließlich wurde sein Arbeitsverhältnis beendet - sein Arbeitgeber erhielt keine Aufträge mehr. Ob dieser die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen abgerufen hat, die es ihm ermöglicht hätten, die Mitarbeiter:innen zumindest in Teilen weiter zu bezahlen, weiß Zukile nicht. Um den Arbeitgeber vor das Arbeitsgericht zu bringen, fehlt ihm das nötige Kleingeld und – wie er sagt – schlicht die Energie.

Mittlerweile ist die Auftragslage seines ehemaligen Arbeitgebers sichtlich besser, doch seinen Arbeitsplatz bekam Zukile nicht zurück. Wie viele Unternehmer:innen nutzte auch Zukiles Arbeitgeber den Lockdown und Corona als einfache Begründung, sich von ein paar Mitarbeiter:innen zu trennen, sich schlanker aufzustellen und somit Personalkosten einzusparen. Leidtragende sind vor allem junge Angestellte. Von 50% auf fast 65% ist die Jugendarbeitslosigkeit mit dem Lockdown in die Höhe geschnellt und während sich weite Teile der Wirtschaft langsam erholen und die nationale Arbeitslosenzahl sich wieder verbessert, bleibt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen – also der 18- bis 35-jährigen – unverändert hoch. Die Folgen sind katastrophal. Die allgemeine Perspektivlosigkeit, das Gefühl gesellschaftlich nicht gebraucht zu werden und als Eltern der häuslichen Erwartungen nicht umfassend gerecht werden zu können, ist für viele eine schwere Last. Dies treibt nicht wenige in den Alkoholmissbrauch und erklärt den Anstieg häuslicher Gewalt und diverser Formen der Kriminalität im gesamten Land. Zudem steigt auch das Frustpotential enorm, öffnet Tür und Tor für populistische Rhetorik, die Hass auf ausländische Minderheiten und die ehemaligen Unterdrücker:innen schürt. Dies entwickelt sich wiederum zu einer Bedrohung für die Demokratie und das Experiment der Regenbogen-Nation im Allgemeinen.

Ein Blick in die Zukunft verspricht leider wenig Hoffnung auf schnelle Besserung. Die staatlichen Schulen, die bereits vor Corona in großen Teilen dysfunktional waren, laufen weiterhin auf Corona-Modus, in dem viele Jahrgänge nur ein oder zwei Tage pro Woche Unterricht im Klassenzimmer erhalten. Die Zahlen der Schulabbrüche sind höher denn je. Home-Schooling im virtuellen Klassenzimmer mit Mama oder Papa zu Hause ist in den Blechhütten der Townships leider undenkbar, sodass der Lernausfall wöchentlich größer wird. Gleichzeitig sind die heutigen Grundschüler:innen zum Großteil Kinder von arbeitslosen Jugendlichen – sie leiden also nicht nur unter den schulischen Bedingungen, sondern wachsen auch unter extrem schwierigen häuslichen Bedingungen auf, in denen meist nicht einmal die Essensverpflegung zuverlässig gesichert ist.

Auch der 29-jährige Sinethemba Jwambi war ohne Arbeitsplatz, als er sich 2020 bei Masifunde um einen Platz im Programm für Jung-Unternehmer:innen bewarb. Mit seiner Idee, in einem kleinen Container Kindern des Townships Computerspiele anzubieten, wurde er im Programm aufgenommen – auch wenn dieses Projekt damals nur auf dem Papier existierte. Sechs Monate später brummt sein kleines Business. Im Kasi Gaming Café tummeln sich von morgens bis spät abends Kinder und Jugendliche, die für ein paar Cent FIFA oder Autorennen spielen wollen. Stolz berichtet er, dass er mittlerweile von seinen Einnahmen seine zwei Kinder und seine drei jüngeren Schwestern versorgen kann. Er plant bereits, einen zweiten Container zu eröffnen. Gemeinsam mit seinem Business-Coach von Masifunde hat er hierzu einen Businessplan geschrieben und beantragt Fördergelder.

Sinethemba ist einer von jährlich dreißig Jung-Unternehmer:innen, die Masifunde in Walmer Township unterstützt. Diese erhalten zunächst Trainings in den Grundlagen der Unternehmensführung. Wer dranbleibt und an seiner Geschäftsidee motiviert arbeitet, erhält einen persönlichen Business-Coach, Seed-Funding und Unterstützung eines Grafikers für Logos und offizielles Briefpapier. Aus der 30er Kohorte, die 2020 mit Sinethemba begonnen hat, sind zurzeit noch acht Jugendliche im Programm aktiv. Zwei Drittel haben gemerkt, dass das Unternehmertum wohl doch nichts für sie ist oder, dass es schlicht zu lange dauert, bis sich die unternehmerischen Mühen wirklich in finanziellem Ertrag niederschlagen.

„Bei der Förderung von Jungunternehmer:innen muss man leider mit hohen Abbruchraten rechnen,“ erklärt Geschäftsführer Jonas Schumacher. „Wir sieben quasi aus einer größeren Gruppe diejenigen aus, die wirklich das Potential und den Biss mitbringen, erfolgreiche Unternehmer:innen zu werden und investieren erst dann viel Zeit und Energie in diese High-Potentials. Unsere Hoffnung dabei ist, dass sie nicht nur zeitnah finanziell unabhängig werden, sondern idealerweise auch Arbeitsplätze schaffen und so nachhaltige Entwicklung im Township mit anschieben.“

Die Großteil der arbeitslosen Jugendlichen kommt hingegen zu Masifundes Out-of-School Youth Programm mit dem Ziel, einen Arbeitsplatz zu finden. Sie erhalten zunächst Karriereberatung in einem einwöchigen Workshop, in dem es darum geht, Potentiale und Interessen auszuloten. Nach dem Workshop können sie zwischen verschiedenen Optionen wählen: So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, über Masifunde das Abitur nachzuschreiben oder zu verbessern. Auch bieten persönliche Berater:innen Studienberatung, Unterstützung bei der Einschreibung an Universitäten und bei der Beantragung von Stipendien an. Zudem werden regelmäßig praxisrelevante Bewerbungstrainings und eine Vielzahl an internen und externen Ausbildungsplätzen angeboten. Für die Jugendlichen, die aufgrund der häuslichen oder persönlichen Situation noch nicht in der Lage sind sich auf Jobsuche zu begeben, stehen auch Sozialarbeiter:innen bereit.

Auch der arbeitslose Zukile versucht mit Masifundes Hilfe eine neue Anstellung zu finden: „Es ist nicht leicht, die Hoffnung nicht zu verlieren. Es gibt einfach viel zu wenige Jobs, auf die man sich überhaupt bewerben kann,“ klagt der Vater von drei Kindern und schiebt ein ”the struggle is real, man, the struggle is real“ hinterher.

Autor:in

Jonas Schumacher
Geschäftsführer

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